Wie überwinde ich meine (Corona-)Angst?
Im letzten Blogbeitrag (Link) habe ich darüber geschrieben, wieso Angst ein wertvoller Lebensbegleiter sein kann, da sie uns vor Gefahren warnt. Bei vielen Menschen dominiert und kontrolliert jedoch die Angst ihr Leben, was sie schwächt. Eine Angst ist zurzeit besonders akut und stark: diejenige rund um das Corona-Virus. Heute erläutere ich Ihnen, was Sie bei Corona-Angst und allgemein bei starken Sorgen machen können – und welche Strategien keinen Erfolg versprechen.
Jeder von uns kennt Angst. Wie ich im letzten Blog erläutert habe, ist Furcht eine hilfreiche Warnlampe für eine drohende Gefahr. Doch wir dürfen uns von dieser Gefahr nicht völlig vereinnahmen lassen. Eine bestimmte Situation wird erst zu einer Bedrohung, wenn Sie diese so bewerten und dadurch der Teufelskreis von Gedanken, Gefühlen, Körperreaktionen und Verhalten in Gang gesetzt wird. Das bedeutet, dass Sie einen Einfluss darauf haben, wie gross Ihre Angst wird. Seien Sie sich bewusst, dass durch Sorgen und Ängste eine bestimmte Gefahr nicht geringer wird. Sie werden dadurch sogar geschwächt. Versuchen Sie also, nicht Ihr ganzes Leben von Ihnen bestimmen zu lassen.
Ich möchte Ihnen heute ein paar Werkzeuge mit auf den Weg geben, mit denen Sie diesen Kreislauf unterbrechen können. Doch vorab Strategien, die nicht erfolgsversprechend sind, also vermieden werden sollten:
- Versuchen Sie nicht, Ihre Ängste durch Suchtmittel zu „beruhigen“. Sie lösen sich dadurch nicht auf, sondern Sie machen sich abhängig davon.
- Versuchen Sie nicht, der Situation komplett auszuweichen. Denn damit steigt Ihre Furcht davor immer weiter. Irgendwann werden Sie mit einer solchen Situation wieder konfrontiert.
- Gefühle – welcher Art auch immer – zu verdrängen, hilft nur kurzfristig. Ob man will oder nicht: verschwinden werden sie damit nicht. Sondern Sie poppen irgendwann plötzlich an die Oberfläche und machen sich selbständig – vielleicht zu einem Zeitpunkt, der Ihnen nicht passt.
- Isolieren Sie sich nicht. Alleine kommen Sie häufig nicht weiter.
Sich den Ängsten stellen
Welche Massnahmen helfen, damit Ihre Ängste nicht Ihr ganzes Leben bestimmen:
- Viele Menschen meinen, dass die Angst zunimmt, wenn man sich im Detail mit ihr beschäftigt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Stellen Sie sich Ihrer Angst und hinterfragen Sie sie, indem Sie überlegen: 1) Was könnte schlimmstenfalls passieren? Und wie wahrscheinlich ist, dass dieses Worst-Case-Szenario auch effektiv eintritt? 2) Wie könnten Sie diese Situation meistern? Wie können Sie es schaffen, ruhig zu bleiben und andere Gedanken als die bisherigen zu haben? 3) Wie sieht die Situation in einer Woche resp. in einem Jahr aus? Ist sie dann immer noch so schlimm? Der US-Schriftsteller Mark Twain sagte dazu pointiert: „Es gab in meinem Leben viele Katastrophen. Einige davon sind sogar eingetreten.“
- Schreiben Sie Ihre Ängste auf, so konkret und detailreich wie möglich. Dadurch werden sie rationaler und weniger bedrohlich.
- Doris Wolf und Rolf Merkle empfehlen in ihrem sehr lesenswerten Buch „Gefühle verstehen, Probleme bewältigen – eine Gebrauchsanleitung für Gefühle“, sich bei einem Gedanken-Karussell folgende zwei Fragen zu stellen: 1) Entspricht der Gedanke den Tatsachen? 2) Hilft mir der Gedanke, mich so zu fühlen, wie ich möchte? Dies hilft Ihnen, einerseits zu rationalisieren und andererseits zu realisieren, ob Ihnen Ihre Gedanken gut tun oder nicht – und entsprechend zu handeln.
- Wolf und Merkle schlagen ebenfalls vor, eine Gewinn/Verlust-Rechnung Ihrer Ängste zu machen: Was würden Sie gewinnen, wenn Sie trotz Angst in die Situation gehen? Was würden Sie verlieren, wenn Sie auf die Angst hören und die Situation vermeiden?
- Reden Sie mit nahen Menschen über Ihre Ängste. Sie nehmen andere Perspektiven ein.
- Erlauben Sie sich Grübelzeit, aber zeitlich beschränkt (z.B. 10 Minuten). Stellen Sie dafür einen Wecker. Wenn die Zeit abgelaufen ist, wenden Sie sich positiven Dingen zu. Wenn untertags negative Gedanken auftauchen, notieren Sie sie für später, wenn Sie Grübelzeit haben.
- Wenn Sie aus dem Gedanken-Karussell nicht herauskommen, stellen Sie sich vor Ihrem inneren Auge ein farbiges Stopp-Schild vor und wenden sich dann einem positiven Gedanken zu. Oder Sie sagen ganz laut „Stopp“ und verstärken diese Aussage noch mit einer körperlichen Geste, z.B. mit dem Ballen der Faust oder dem Stampfen auf den Boden.
- Wenn Sie z.B. Auftrittsangst haben, überfordern Sie sich nicht und versuchen, vor 1500 Menschen zu sprechen. Dies verstärkt Ihre Angst umso mehr. Beginnen Sie mit ein paar Worten an Freunde (also Gutgesinnte). Üben Sie im Kleinen (auch bei anderen Ängsten).
- Bei akuten Angstzuständen atmet man oberflächlich und schnell. Deshalb hilft es, wenn man in einer solchen Situation bewusst tief in den Bauch atmet. Oder beobachten Sie Ihren Atem, ohne ihn zu etwas zu zwingen. Er wird automatisch tiefer und länger werden. Dies beruhigt das Zentralnervensystem, was wiederum das logische, rationale Denken erst ermöglicht.
- Stellen Sie sich bei einer Angstattacke vor, wie Sie an einem breiten Fluss sitzen. Der Strom zieht ruhig an Ihnen vorbei. Beobachten Sie Ihre Gedanken und Gefühle. Falls ein quälender Gedanke auftaucht, platzieren Sie ihn vor Ihrem inneren Auge auf einem Blatt am Ufer, legen dieses ins Wasser und lassen es wegtreiben, während Sie es beobachten. (aus „Psychologie heute“, 03/2020)
- Idealerweise etablieren Sie eine Entspannungsroutine, damit Ihr „Normalzustand“ eine Etage entspannter ist als bisher.
- Routinen sind allgemein gut gegen Ängste. Denn sie geben einem Sicherheit. Was sehr zu empfehlen ist, ist eine Morgenroutine, die Sie nicht gehetzt in den Tag starten lässt.
- Nehmen Sie eine aufrechte und selbstbewusste Körperhaltung ein. Dies beeinflusst auch Ihre Psyche positiv.
- Bewegen Sie sich regelmässig. Denn Bewegung tut nicht nur Ihrem Körper (und Ihrem Schlaf) gut, sondern auch Ihrer Psyche. Mehr dazu: https://www.stressandbalance.ch/2016/08/02/bewegung-killt-stress/.
- Achten Sie auf Ihre Fortschritte und belohnen Sie sich dafür.
- Wenn Sie realisieren, dass Ihre Ängste Sie im Griff haben und nicht umgekehrt und alle diese Werkzeuge nichts nützen, suchen Sie sich professionelle Hilfe.
Angst vor Corona: vom Negativen zum Positiven
Was ich Ihnen speziell hinsichtlich einer grossen Angst vor Corona empfehle (abgesehen von allen Tipps oben):
- Lesen Sie nicht unzählige Male am Tag die News zum Thema Corona (Fallzahlen, Todesfälle, Massnahmen usw.). Denn sonst steigt Ihre Furcht noch weiter. Beschränken Sie dies auf max. 1-2x pro Tag.
- Lenken Sie Ihre Gedanken auf das Gute, das Sie in Ihrem Leben haben (jeder hat das, auch wenn die Situation schwierig ist). Schreiben Sie jeden Abend Ihre Dankbarkeitsliste (wirkungsvoller, als nur zu überlegen) und fühlen Sie mit all Ihren Emotionen, für was Sie dankbar sind. Mehr zu diesem kraftvollen Instrument finden Sie in meinem früheren Blog: https://www.stressandbalance.ch/2017/02/28/meine-visualisierte-dankbarkeit/.
- Tun Sie sich Gutes, was es auch immer ist.
- Pflegen Sie soziale Kontakte, auch wenn dies teilweise nur per Videokonferenz möglich ist.
- Unterstützen Sie Nachbarn oder Familienmitglieder, die es brauchen, z.B. mit Einkäufen, wenn sie in Quarantäne sind. Gute Taten helfen nicht nur den Empfängern.
Das Leben besteht aus Risiken, aber auch aus Chancen. Ich hoffe, meine Praxis-Tipps helfen Ihnen, Ihre Chancen zu nützen und sich von Ihren Ängsten nicht dominieren zu lassen.
© Claudia Kraaz