Schlafen kann ich, wenn ich tot bin!?
Ich liebe weise Sprüche und Zitate, weil sie Dinge auf den Punkt bringen und wir viel von ihnen lernen können. Aber dem Ihnen sicher bekanntem Spruch des Regisseurs Rainer Werner Fassbinder kann ich gar nichts abgewinnen. Im Gegenteil: er ist schlichtweg falsch! Genügend langer und qualitativ guter Schlaf ist die Grundlage unserer Gesundheit und macht uns erst leistungsfähig. Chronischer Schlafmangel kostet uns unsere Gesundheit und die Volkswirtschaft Milliarden.
Viele Top-Manager brüsten sich damit, wie wenig Schlaf sie brauchen. So schläft Ex-CS-CEO Brady Dougan nur vier bis fünf Stunden pro Nacht. Und Apple-CEO Tim Cook beginnt seinen Tag bereits um 3.45h. Schon Napoleon, der selber nur ca. vier Stunden pro Nacht schlief, meinte, dass nur Dummköpfe und Kranke mehr Schlaf bräuchten. Aber sie alle lagen resp. liegen falsch: Erwachsene brauchen im Durchschnitt sieben bis acht Stunden Schlaf (je nach Studie…), um sich wirklich zu erholen. Doch leider halten wir uns nicht immer daran, ja immer weniger.
Die durchschnittliche Schlafdauer ist in den letzten zwanzig Jahren um rund eine Stunde zurückgegangen – mit Folgen für unsere Gesundheit und unsere Leistungsfähigkeit. Jens Acker von der Klinik für Schlafmedizin in Zurzach Bad erklärte vor ein paar Jahren gegenüber der NZZ: «Nur rund 5 Prozent kommen mit weniger Schlaf als sechs Stunden aus und alles unter fünf Stunden ist biologisch ungesund“.
Schlafen macht schlau und leistungsfähig
Wieso ist das der Fall? Schlafen heisst nicht inaktiv sein. Zwar werden der Herzschlag und der Blutdruck heruntergefahren, aber der Organismus ist hochaktiv. Wir verbrauchen im Schlaf gleich viel Energie wie im Wachzustand, einfach für andere Aktivitäten. Das Gehirn verarbeitet, was am Tag passiert ist, und baut schädliche Abfallprodukte ab – räumt also auf und macht sauber. Das Gedächtnis verlagert Daten vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis, und es werden neue Verbindungen zwischen den Hirnzellen erstellt, was uns ermöglicht, Zusammenhänge zu erkennen. Das erleichtert das Lernen. Man schöpft mentale Kraft und ist konzentrierter. Schlafen macht also schlau und leistungsfähig. Ausserdem arbeitet auch das Immunsystem mit voller Kraft. Es werden im Schlaf besonders viele Stoffe ausgeschüttet, die die Immunabwehr steigern.
Die Fakten sprechen also für sich. Doch leider steht es nicht gerade gut um die Qualität des Schlafs in unseren Breitengraden. Die schweizerische Gesundheitsbefragung aus dem Jahr 2017 hat ergeben, dass 27,9 Prozent der Männer und sogar 40,4 Prozent der Frauen unter Ein- oder Durchschlafstörungen leiden. In schwierigen beruflichen Situationen, welche ja nicht so selten sind, leiden sogar 81 Prozent aller deutschen Führungskräfte an Schlafstörungen.
Schlafmanko macht betrunken
Welche konkreten negativen Auswirkungen hat denn ein chronisches Schlafmanko?
- Da die schädlichen Abfallprodukte im Hirn nicht genügend abgebaut werden, kann man weniger gut Informationen verarbeiten und ist weniger konzentriert. Die Problemlösungsfähigkeit und die Kreativität werden beeinträchtigt.
- Man ist emotional weniger stabil und deshalb weniger gelassen. Die Gereiztheit steigt, wie Sie sicher selber schon erfahren haben, wenn Sie einmal nicht gut geschlafen haben.
- Die Klinik für Neurologie der Universität Zürich hat zudem festgestellt, dass bei chronischem Schlafmangel systematisch höhere Risiken in Kauf genommen werden – nicht gerade ideal im Geschäftsleben.
- Die verminderte Funktionsfähigkeit der Immunabwehr führt zu mehr Infekten.
- Zudem kann ein chronisches Schlafmanko ernsthafte Gesundheitsfolgen haben wie etwa einen Herzinfarkt, einen Hirnschlag oder Diabetes.
- Was weniger bekannt ist: Schlaflosigkeit macht auch dick, weil man mehr isst und weniger verbrennt, da der Stoffwechsel sich verlangsamt. Ausserdem geht die Muskelmasse zurück.
- Schätzungen gehen davon aus, dass bei 20 Prozent der schweren Verkehrsunfälle Übermüdung eine entscheidende Rolle spielt.
- Und wer weniger als sechs Stunden pro Nacht schläft, hat ein deutlich höheres Burnout-Risiko.
Schon nach einer Woche mit zu wenig Schlaf verhält man sich so, wie wenn man ein Promille Alkohol im Blut hätte – keine ideale Voraussetzung, um effizient und effektiv arbeiten zu können. Kein Wunder, gehen Schätzungen davon aus, dass Schlafmangel die Schweizer Volkswirtschaft fünf bis acht Milliarden Franken kostet, Deutschland rund 57 Milliarden Euro und die USA sogar über 400 Milliarden US-Dollar.
Machen Sie es also wie Jeff Bezos, Warren Buffet, Sheryl Sandberg und Bill Gates und setzen Sie auf die reinigende Wirkung von genügend Schlaf. Wie Sie Ihre Schlafqualität verbessern können, können Sie in meinem Blogbeitrag „Für ä tüüfa gsundä Schlaaf“ nachlesen: Link.
P.S. Wer sich für das Thema Schlaf interessiert, fühlt sich vielleicht auch angesprochen von der „Carte blanche“ zum Thema „Work smart, not hard“, die ich im Magazin „Bilanz“ vom Dezember veröffentlichen durfte. Sie basiert auf der gleichen Überzeugung, dass Erholung leistungsfähig macht. Hier geht’s zum Artikel: http://www.stressandbalance.ch/wp-content/uploads/2019/01/Bilanz_Carteblanche_21_12_18.pdf.
© Claudia Kraaz