WIE LÖSE ICH KONFLIKTE?
Nachdem ich im letzten Blog (Link) darüber geschrieben habe, wie sich Konflikte vermeiden lassen, erläutere ich Ihnen heute, wie Sie diese lösen, wenn Sie mal in einen reingeraten sind. Die wichtigsten Punkte sind: 1) die Wut Ihres Gegenübers könnte mit ganz vielen Dingen zu tun haben, aber eher weniger mit der Sache, über die Sie gerade streiten. 2) Das Sprichwort: „Wirft Ihnen jemand verbal einen Schuh an den Kopf, ziehen Sie ihn bloss nicht an!“
Es gibt so coole Leute, die kann nichts aus der Fassung bringen, auch wenn ihnen Schlimmes mit grosser Heftigkeit an den Kopf geworfen wird. Was passiert? Der Angreifer hat sich irgendwann ausgeschrien und ausgepowert – und gibt meistens frustriert auf. Denn es braucht immer zwei zum Streiten: „eine Schlägerei beginnt erst mit dem zweiten Hieb!“ Es ist unmöglich, jemandem ein Ärgernis zu „geben“, wenn er es nicht nehmen will. Überlegen Sie sich also in einem Konflikt gut, ob Sie sich auf den Streit einlassen wollen: Können Sie dadurch etwas gewinnen? Und gibt es vielleicht andere Wege zur Lösung als den wutentbrannten Streit? Es gibt sie! Wie finde ich sie, wenn die Emotionen mal hochgehen?
Mich und das Gegenüber beruhigen
Wut ist ein starkes Gefühl – ein Gefühl, das grossen Schaden anrichtet, wenn wir ihm freien Lauf lassen. Ausserdem ist es ungesund (v.a. fürs Herz), und Argumente werden auch nicht besser, wenn sie lauter werden. Deshalb ist Konflikt-Management – wie im letzten Blog erläutert – vor allem Emotions-Management. Was können Sie nun tun, um sich selber und Ihr Gegenüber zu beruhigen:
- Zuhören nach dem Dampfkoch-Prinzip: der Andere kann Dampf ablassen, während Sie Zeit gewinnen.
- Nehmen Sie – bevor Sie antworten – ein paar tiefe Atemzüge. Das beruhigt Ihr Zentralnervensystem.
- Stellen Sie sich mit allen Sinnen einen Fluss vor, der links und rechts an einem breiten, stabilen Brückenpfeiler vorbeifliesst. Das beruhigt ebenfalls.
- Nehmen Sie keine Abwehrhaltung ein. Sonst wird Ihr Gesprächspartner noch wütender.
- Aussagen nicht (zu) persönlich nehmen. Sie kennen ja die Hintergründe des Angriffs nicht – dazu mehr weiter unten. Es gibt zudem Menschen, die grundsätzlich frustriert sind mit ihrem Leben und diesen Frust ungefiltert an jeden weitergeben, der ihnen begegnet
- Nehmen Sie keine Opferhaltung ein, sondern übernehmen Sie Eigenverantwortung. Was können Sie zur Lösung beitragen?
- Bleiben Sie stets respektvoll – mit Ihren Worten und Ihrem Tonfall. Sonst bereuen Sie es vielleicht später.
- Fragen Sie nach, was Ihr Gegenüber genau gemeint hat. Wenn es um sachliche Dinge geht, kriegen Sie eine Antwort. Wenn es um rein Emotionales geht, kommt hier meistens nichts zurück.
- Verlangen Sie eine Pause, damit sich die Gemüter beruhigen können.
Andere Perspektive einnehmen
Ganz wichtig im Konflikt-Management ist auch, zu versuchen, die Perspektive des Anderen einzunehmen. Was könnten die Gründe sein, dass jemand wütend ist? Meistens hat es ganz wenig mit der effektiven Sache zu tun, über die Sie streiten, sondern mit einem der folgenden Gründe (nicht abschliessend):
- Ihr Gegenüber oder Sie haben ein Informationsdefizit.
- Die Kommunikation war resp. ist mangelhaft (Beziehungsebene).
- Einer von beiden hat Feindbilder, Schwarz-Weiss-Denken oder einen Tunnelblick.
- Einer von beiden hat Angst vor Niederlagen, einem Verlust, einer Demütigung usw.
- Man hat unterschiedliche Werte oder Vorstellungen.
- Ihr Gesprächspartner hat Probleme in einem anderen Lebensbereich.
- Es gab auf einer oder beiden Seiten Verletzungen – evtl. haben diese gar nichts mit Ihnen resp. Ihrem Gegenüber zu tun, sondern sind alte Verletzungen.
- Die Grundbedürfnisse nach Wertschätzung, Respektierung des Status, der Autonomie und der Rolle sowie der Wunsch nach Zugehörigkeit wurden resp. werden nicht geachtet.
Sie sehen nie in jemand anderen hinein, aber versuchen Sie doch einmal, die Dinge aus seinem Blickwinkel zu betrachten (Basis dafür: gut zuhören) und zu überlegen, welche guten Gründe er vielleicht für seine Vorwürfe haben könnte. Dann sieht vielleicht alles ganz anders aus. In Coachings bitte ich manchmal meine Kunden, mit mir den Platz zu tauschen, sich also auf den anderen Stuhl zu setzen und mir den beschriebenen Konflikt aus der Perspektive des Gegenübers zu schildern. Das öffnet manchem die Augen und könnte der erste Schritt zu einer Konfliktlösung sein.
Möglichkeiten einer Lösung
Es gibt verschiedene gute Möglichkeiten, im Konfliktfall zu einer Lösung zu kommen:
- Sie setzen sich durch, indem Sie nicht in den Widerstand gehen, sondern für etwas kämpfen. So ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Sie Ihr Gegenüber von der Richtigkeit Ihres Vorschlags überzeugen.
- Sie passen sich an. Man sollte nicht alle Schlachten schlagen, sondern überlegen, ob es der Kampf wert ist (z.B. bei unsachlicher Kritik) oder Sie evtl. selber gar nichts verändern können. Wir alle haben nur eine beschränkte Energie, die es am richtigen Ort und für das richtige Ziel einzusetzen gilt.
- Sie schliessen in einer beschränkten Zeit einen Kompromiss, indem Sie den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen.
- Sie suchen die volle Kooperation und verhandeln so lange, bis Sie eine Lösung gefunden haben, die für beide Seiten stimmt.
Weniger erfolgreiche Ansätze sind ein Aufschieben des Konflikts, eine Flucht, eine Verharmlosung oder eine Weiterdelegierung. Welche der oben beschriebenen konstruktiven Möglichkeiten Sie wählen, hängt von der jeweiligen Situation und Ihrem Gegenüber ab – und Ihrer persönlichen Entscheidung. Sie haben mehr Einfluss auf einen Konflikt, als Sie vielleicht meinen.
Konflikte müssen zudem nicht nur negativ sein, sie haben auch viele positive Aspekte. So schaffen sie Klarheit (in die eine oder in die andere Richtung), fördern unseren Mut, für uns einzustehen, und lassen uns kreativ werden und nach neuen Lösungen suchen – wenn wir die Chancen darin sehen und unsere Energie richtig einsetzen. So ganz nach dem Motto von Prentice Mulford, US-Journalist, Goldgräber und Warenhausbesitzer aus dem 19. Jahrhundert: „Zanken und hadern ist so, als wollt ein Mann in der Rage seinen Wagen zertrümmern, weil er im Schlamm stecken geblieben ist; besser die Kraft zum Herausziehen verwenden!“
© Claudia Kraaz