Zweite Chance für einen ersten Eindruck?
Vielleicht kennen Sie das Sprichwort: „Es gibt keine zweite Chance für einen ersten Eindruck.“ Unser Gehirn schätzt automatisch in Sekundenbruchteilen ein, ob uns ein anderer Mensch sympathisch ist oder nicht. Und in den meisten Fällen hält dieser erste Eindruck längerfristig an. Ich erkläre Ihnen heute, wie Sie einen guten ersten Eindruck machen können und welche Möglichkeiten es gibt, einen ersten, nicht gelungenen Eindruck doch noch zu korrigieren.
Der Prozess läuft völlig unbewusst ab: bei jeder neuen Begegnung begutachtet und beurteilt unser Gehirn das Gegenüber in einer Zehntelsekunde. Vor allem zwei Eigenschaften überprüft unser Unterbewusstsein: 1) ist die Person vertrauenswürdig (Freund oder Feind)? 2) ist die Person kompetent und eventuell auch einmal nützlich für mich? Aus evolutionärer Sicht sind diese zwei Kern-Einschätzungen nachvollziehbar.
Wir kommunizieren immer
„Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Diesen Spruch von Paul Watzlawick, einem österreichischen Kommunikationswissenschaftler, haben Sie sicher auch schon gehört. Wir kommunizieren immer – ob wir wollen oder nicht, ob wir reden oder nicht. Denn es ist unmöglich, dem Gegenüber keine Signale (verbale oder non-verbale) zu senden. Unser Körper lügt nie. Mit Ihrem Auftreten und Ihrem Verhalten drücken Sie aus, was Sie selbst für ein Bild von sich haben und wie viel (oder wenig) Sie von sich halten.
Wussten Sie, dass nur 7 Prozent der Wirkung, die Sie mit Kommunikation erzielen, vom Inhalt abhängt, den Sie vermitteln? 93 Prozent der Wirkung erzielen Sie mit der Art und Weise, wie Sie diesen Inhalt darlegen: 53 Prozent mit Ihrer Erscheinung und der Körpersprache sowie 38 Prozent mit Ihrer Stimme und Ihrem Tonfall. Unser Körper äussert sich sogar schneller, als wir es mit Worten tun. Unseren inneren Zustand zeigen wir ca. eine Sekunde vor dem gesprochenen Wort.
Menschen nach ihrem Äusseren beurteilen
Die Beurteilung eines Menschen durch unser Gehirn beruht auf bisherigen Erfahrungen mit ähnlichen Menschen (Gesichtsform, Haare, Stimme, Herkunft usw. – also zum Teil auch beeinflusst durch Vorurteile) und leider – muss man sagen – vor allem aufgrund von Äusserlichkeiten. Es ist klar bewiesen, dass wir attraktive Personen als kompetenter, sozialer, intelligenter und gesünder einschätzen – ohne uns dessen bewusst zu sein. www.karrierebibel.de bringt es pointiert auf den Punkt: „Wir beurteilen Bücher nach ihren Deckeln und Menschen nach ihrem Aussehen.“
Heisst dies, dass Sie selbst Ihren ersten Eindruck nicht beeinflussen können? Nein, dies zum Glück nicht. Ein paar Tipps, wie Sie einen positiven ersten Eindruck hinterlassen können:
- Lächeln Sie – idealerweise so, dass man Ihre Zähne sieht.
- Achten Sie darauf, keinen negativen Gesichtsausdruck einzunehmen. Meine Erfahrung zeigt: viele Menschen schätzen ihren neutralen Gesichtsausdruck als viel zu positiv ein. Checken Sie ihn einmal im Spiegel oder holen Feedback dazu ein.
- Nehmen Sie eine aufrechte Haltung ein. Wenn Sie sitzen, können Sie sich leicht nach vorne beugen. Ihre Haltung muss offen sein, damit Sie nicht abweisend wirken.
- Seien Sie sich bewusst: Ihre Kleidung, Ihre Haare (gepflegt oder nicht) und Ihr Duft haben ebenfalls einen Einfluss darauf, wie man Sie wahrnimmt. Übertreiben Sie es also nicht mit Ihrem Parfum oder After Shave.
- Halten Sie Augenkontakt. Dies zeugt von Interesse.
- Sprechen Sie langsam und mit kleinen Pausen. Damit steigern Sie Ihre Wirkung. Eine tiefere Stimme macht Sie kompetenter und souveräner als eine hohe. Deshalb hat die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher sich durch viel Training eine tiefere Stimme „angeeignet“.
- Bewegen Sie sich nicht hektisch – z.B. nicht mit den Händen spielen, sich kratzen oder die Beinstellung beim Sitzen andauernd wechseln. Dies zeugt von Nervosität. Wenn Sie im Raum umherlaufen, bewegen Sie sich langsam. Dies wirkt souveräner.
Authentische = wirkungsvolle Kommunikation
Eine Warnung gleich nach den Tipps: Ihre Haltung und Ihre Gestik dürfen nicht künstlich wirken – wie dies bei der Gestik vieler Politiker und Unternehmensleiter leider der Fall ist. Seien Sie sich selbst! Denn am wirksamsten ist Kommunikation, wenn Inhalt, Tonfall und Körpersprache zusammenpassen. Also wenn Sie meinen, was Sie sagen – wenn das Gegenüber spürt, dass Sie authentisch sind.
Bei einer rein schriftlichen Kommunikation jedoch ist es schwieriger, Ihr Gegenüber wahrzunehmen. Es fehlen die non-verbalen Signale. Deshalb entstehen in der schriftlichen Kommunikation häufiger Missverständnisse. Und Studien haben gezeigt, dass man die gleichen Menschen bei einer Online-Betrachtung (ohne Austausch, als z.B. bei der Betrachtung eines Online-Fotos) negativer einschätzt, als wenn man sie von Angesicht zu Angesicht kennenlernt.
Erster Eindruck korrigierbar?
Der erste Eindruck wird – auch bei späterem gegenteiligem Verhalten – meistens nicht verändert. Dies weil die erste Einschätzung als Anleitung dient, wie man mit der Person umgehen sollte. Lange hatte man sogar gedacht, dass der erste Eindruck gar nicht mehr korrigiert werden könne. Aber 2015 wurde in einer Studie der US-Universität Cornell nachgewiesen, dass man einen ersten Eindruck revidieren kann – unter gewissen Voraussetzungen! Diese waren: man wurde in einem neuen Kontext gesehen, und man konnte nachweisen, dass seine Handlung gut gemeint war.
Wie können Sie also Ihren ersten Eindruck (möglicherweise) wieder korrigieren:
- Ziehen Sie sich – wenn Sie realisiert haben, dass der andere ein negatives Urteil über Sie gefällt hat – nicht sofort zurück (sonst verfestigt sich der erste Eindruck), sondern versuchen Sie, Ihr Gegenüber weiterhin positiv zu beeinflussen.
- Finden Sie eine nachvollziehbare, glaubwürdige Erklärung für Ihren ersten schlechten Eindruck – z.B. dass Sie zu spät gekommen sind, weil Sie Ihre Kinder in die Kindertagesstätte bringen mussten.
- Fallen Sie später speziell positiv auf (nach der US-Sozialpsychologin Heidi Grant Halvarson).
- Sorgen Sie dafür, dass Sie sich gegenseitig besser kennenlernen (nach dem US-Psychologen Ben Michaelis).
- Lassen Sie andere für sich sprechen. Ein Fürsprecher wirkt stärker als Sie selbst.
Die Macht des ersten Eindrucks ist stark. Wenn die Personen einem wichtig sind, sollte man jedoch nie aufgeben, einen ersten negativen Eindruck korrigieren zu wollen.
© Claudia Kraaz