NEUE GEWOHNHEITEN ETABLIEREN
In meinem letzten Blog (Link) habe ich Ihnen erläutert, wieso wir Menschen Gewohnheitstiere sind und weshalb es schwierig ist, die Gewohnheitsschlaufe zu durchbrechen. Es braucht also viel Aufwand und Hartnäckigkeit, um Verhaltensmuster abzulegen und – das Wichtigste dabei – sie durch neue zu ersetzen. Heute erkläre ich Ihnen, wie das funktioniert, und gebe Ihnen praktische Tipps dazu.
„Eine Angewohnheit kann man nicht aus dem Fenster werfen. Man muss sie die Treppe hinunterboxen, Stufe für Stufe,“ sagte schon Mark Twain. Machen Sie sich also darauf gefasst: es wird kein Zuckerschlecken, um beim Schokoladebild vom letzten Blog zu bleiben. Es braucht in erster Linie einmal ganz viel Zeit – im Durchschnitt 66 Tage, wie die Wissenschaftler des University College London herausgefunden haben. Allerdings war die Spannbreite riesig: die Probanden brauchten zwischen 18 und 254 Tage, um eine neue Gewohnheit zu etablieren. Heute nun mehr dazu, wie Sie dies am besten machen und was Sie dabei unterstützt – also faktisch: wovon es abhängt, wie gut Sie das schaffen und wie lange Sie brauchen werden.
Wie ich schon im letzten Blog angetönt habe, ist es entscheidend, nicht einfach eine schlechte Gewohnheit abzulegen, sondern sie durch eine neue zu ersetzen, die einem die gleiche Belohnung bringt. Um beim Schokoladen-Beispiel vom letzten Mal zu bleiben: also den Schokolade-Konsum durch eine andere Gewohnheit zu ersetzen, die einem auch entspannt. Was diese neue Gewohnheit sein könnte, ist individuell – das muss also jeder selber herausfinden. Wichtig dabei ist nur, dass sie keine schlechte ist, wie es vielen Rauchern passiert, die aufhören zu qualmen, aber dafür mehr Süsses essen – mit dem Resultat, dass sie zunehmen.
Drei Phasen
Der deutsche Coach Ivan Blatter hat drei Phasen festgestellt, bis eine alte Gewohnheit abgelegt und eine neue etabliert ist:
- Startphase: aus einer alten Gewohnheit ausbrechen und eine neue schaffen. Obwohl das Energie braucht, ist das zu Beginn häufig nicht so schwierig, weil man stark motiviert ist.
- Widerstand: man hat sich noch nicht ganz von der alten Gewohnheit gelöst, und die neue ist noch nicht ganz etabliert. Der Startschwung hat nachgelassen, und die positiven Effekte sind noch zu klein. Es braucht einen starken Willen, um die neue Gewohnheit jeden Tag weiter einzuüben. Dies ist also die gefährlichste Phase.
- Etablierung: die alte Gewohnheit ist zwar noch nicht vergessen, aber langsam wird die neue Gewohnheit normal und wird schrittweise etabliert. Mehr und mehr muss man nicht mehr bewusst jeden Tag daran denken, die neue Gewohnheit zu trainieren. Sie wird mit der Zeit zum neuen Automatismus.
Hilfreich ist bei diesem Prozess, sich folgende Fragen zu stellen, bevor man beginnt (gemäss dem Jobportal www.karrierebibel.de und dem österreichischen Projektmanager Ewald Müller):
- Ganz allgemein:
- Wie stark ist meine Gewohnheit? Wie lange habe ich sie schon?
- Wie viel Erfahrung habe ich schon mit dem Ändern von Gewohnheiten? Grund: mit jeder erfolgreichen Änderung verkürzt sich die Umstellungszeit.
- Mache ich es für mich oder für jemanden Anderen? Ersteres ist viel erfolgversprechender.
- Was hält mich davon ab, meine Gewohnheit zu ändern?
- Um den Auslöser zu identifizieren:
- Was passiert unmittelbar, bevor ich die Gewohnheit ausführe?
- Woran erkenne ich, dass ich mich gewohnheitsmässig verhalte?
- In welchen Situationen tritt diese Gewohnheit auf?
- Um die Belohnung oder das Verlangen herauszufinden:
- Wozu tue ich das, was ich mache?
- Was bekomme ich, wenn ich meine Gewohnheit ausführe?
- Was würde ich vermissen, wenn ich mich nicht so verhalte, wie ich es gewohnt bin?
- Um eine neue Gewohnheit zu finden:
- Wie könnte ich dieses Verlangen sonst noch stillen?
- Wie gehen andere mit diesem Bedürfnis um?
- Welche Handlungen gibt es in meinem Leben schon, mit denen ich dieses Bedürfnis bereits befriedige?
- Welchen Nutzen hat die neue Gewohnheit für mich?
Wie Sie diesen Fragen entnehmen können, ist die Vorbereitung entscheidend. Dass man sich spontan etwas vornimmt, ist nämlich der Hauptgrund, wieso nur 12% der Neujahrsvorsätze in die Tat umgesetzt werden.
Was Ihnen hilft
Zum Schluss noch ein paar konkrete Tipps, die Sie hoffentlich bei der Änderung Ihrer Gewohnheiten unterstützen:
- Ändern Sie nur eine Gewohnheit aufs Mal. Sonst überfordern Sie sich, was Ihre Erfolgsaussichten schmälert.
- Schmerz ist stärker als Lust: erhöhen Sie den Leidensdruck, bevor Sie beginnen, z.B. indem Sie im Internet nachlesen, was Übergewicht für schlimme Folgen hat.
- Danach nehmen Sie sich ein positives und konkretes Ziel vor (z.B. nicht: „Ich will nie wieder dick werden“, sondern: „ich nehme ab und fühle mich wohl in meinem Körper“). Das Gehirn kennt „nicht“ nicht, weshalb der Effekt ein kontraproduktiver wäre. Visualisieren Sie mit möglichst viel emotionaler Intensität, wie Sie mit Ihrem Wohlfühlgewicht aussehen und sich fühlen sowie was andere Leute dazu sagen werden.
- Beginnen Sie mit kleinen Veränderungen, wenn es Ihnen grundsätzlich gut geht – also nicht, wenn Sie gerade sonst viele Probleme haben. Wenn es aber um ganz grosse Veränderungen gibt, sind Brüche wie Trennungen oder sogar Krankheiten eine Chance dafür.
- Seien Sie auf Rückschläge gefasst und überlegen Sie schon im Voraus, was Sie am Umsetzen der Vorsätze hindern könnte und was Sie dann tun.
- Erzählen Sie Ihren Vorsatz möglichst vielen Leuten. Sozialer Druck hilft.
- Unterstützen Sie Ihr Vorhaben, indem Sie mit Post-its, akustischen Erinnerungsfunktionen auf dem Smartphone oder den am Abend schon bereit gelegten Joggingschuhen einen Auslöser schaffen. Das Gehirn verknüpft dann das Aufstehen und Sehen der Joggingschuhe mit der neuen Gewohnheit Joggen, was schneller zu einem Automatismus führt. Wenn man es geschafft hat, einen neuen Auslöser zu etablieren, wird die neue Gewohnheit zu einem Selbstläufer.
- Kreieren Sie Rituale, z.B. mit fixen Abläufen und Terminen für das Joggen.
- Verändern Sie den Kontext. Die Psychologin Wendy Wood von der University of Southern California hat in vielen Experimenten gezeigt, wie stark wir Situationen mit Handlungen verknüpfen. Das Resultat: Wer sein Verhalten ändern möchte, muss den Kontext ändern. In einer von Woods Studien kam heraus, dass Raucher, die ihr Laster aufgeben wollten, doppelt so erfolgreich waren, wenn sie im Urlaub damit anfingen. Alkoholiker sollten z.B. den Reiz Restaurant vermeiden.
- Wenn die neue Gewohnheit Spass macht, hilft das.
- Üben Sie am Anfang täglich. Sonst etabliert sich die neue Gewohnheit nicht richtig. Denn das Gehirn lernt durch Wiederholungen.
- Kontrollieren und – noch wichtiger – feiern Sie Fortschritte. Setzen Sie sich Teilziele, und belohnen sich am Anfang für das Erreichen dieser kleinen Schritte. Später vergrössern Sie die Abstände.
Horaz hat einmal gesagt: „Die Gewohnheit ist ein Tyrann.“ Ich hoffe, diese zwei Blogbeiträge zum Thema Gewohnheiten ändern helfen Ihnen, Ihren Tyrannen zu besiegen! Dabei wünsche ich Ihnen viel Durchhaltevermögen und Erfolg.
© Claudia Kraaz