Teaser Auf Spurensuche in Gesprächen

WIE ERKENNE ICH BURNOUT-SYMPTOME?

04. Juli 2017 / Allgemein
Resilienz

Mein letzter Blog war dem Thema „Resilienz-Stärkung als Führungsaufgabe“ gewidmet. Dabei ging es darum, wie Führungskräfte die Resilienz ihrer Teams stärken können. Dazu gehört auch, dass sie wahrnehmen, ob ihre Mitarbeitenden Zeichen von chronischem Stress oder Vor-Burnout zeigen und dann das Gespräch suchen. Deshalb erläutere ich heute die wichtigsten Symptome der drei teilweise sehr unterschiedlichen Phasen eines (Vor-)Burnouts.

Ein Burnout ist eine tragische Sache für jeden Einzelnen, aber auch eine kostspielige Angelegenheit für ein Unternehmen. Ein Mitarbeitender fällt meistens für einige Monate aus und muss ersetzt werden. Oder andere Teammitglieder müssen seine Aufgaben übernehmen und werden dadurch selber stark belastet. Diese Tatsache ist heute grundsätzlich anerkannt. Aber vielen Unternehmen ist noch zu wenig bewusst, dass sie die Zeit vor einem Zusammenbruch eines Angestellten ebenfalls sehr teuer zu stehen kommt. Der entsprechende Mitarbeiter bringt nicht mehr die gleiche Leistung – qualitativ und quantitativ, was Auswirkungen hat auf die Stimmung im Team, die Kundenzufriedenheit und damit auch auf den finanziellen Erfolg. Deshalb ist es sehr wichtig, rechtzeitig die Symptome von chronischem Stress resp. Vor-Burnout zu erkennen.

Was ist denn nun genau ein Burnout? Eine offizielle medizinische Diagnose gibt es dafür nicht. Burnout ist in der „International Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD), dem international anerkannten und von der WHO herausgegebenen Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen, nicht enthalten. Burnout ist deshalb für Ärzte nur als Zusatzdiagnose zu einer anderweitigen Krankheit verwendbar. Ganz pragmatisch würde ich sagen: Burnout ist ein Resultat von starkem und lange anhaltendem Stress, kombiniert mit ungenügenden Bewältigungsstrategien und einem Mangel an Regeneration. Wichtig zu wissen, ist, dass der effektive Zusammenbruch das Ende eines meistens sehr lange dauernden Prozesses ist und – gemäss meiner Erfahrung – häufig ein auslösender Anlass (geschäftlich oder auch privat) das vorher schon stark schwankende Kartenhaus zum Einstürzen bringt.

 

Sehr unterschiedliche Phasen

Entscheidend ist zu wissen, dass es drei teilweise sehr unterschiedliche Phasen vor dem Zusammenbruch gibt. Die Phase 1 würde ich zusammenfassen unter dem Begriff „Aktivität und Aggression“. Der Betroffene arbeitet unermüdlich und zeigt ein extremes Leistungsstreben, um den hohen Erwartungen, die aber häufig „nur“ seine eigenen übersteigerten Erwartungen sind, gerecht zu werden. Er hat das Gefühl, unentbehrlich zu sein und nicht mehr delegieren zu können. Das führt dazu, dass soziale Kontakte reduziert und eigene Bedürfnisse vernachlässigt werden. Der Mitarbeiter wird zunehmend misstrauisch gegenüber Anderen, intolerant und reizbar – ein klares Warnsignal, dass er eigentlich überfordert ist.

Der Betroffene rennt unermüdlich weiter, obwohl er eigentlich schon erschöpft ist. An den Abenden, an Wochenenden und in den Ferien kann er sich kaum erholen und kommt innerlich nicht mehr zur Ruhe. Kein Wunder, dass bei vorher sehr zuverlässigen Angestellten plötzlich vermehrt Fehler auftreten. Diese Phase kann sehr lange dauern – im extremen Fall bis zu mehreren Jahren. Typisch für diese erste Phase ist, dass das Umfeld die Veränderungen früher wahrnimmt als der Betroffene selbst und er – wenn man das Gespräch mit ihm sucht – sehr oft den Verdacht einer Erschöpfung von sich weist.

 

Trügerische Ruhe nach dem Sturm

Die zweite Phase ist ganz anders als die erste. Ich nenne sie „Flucht und Rückzug“. Der Betroffene scheint Ruhe auszustrahlen, aber eigentlich geht er einfach auf Distanz zu anderen und auch zu sich selbst. Der Kampf hat sich verwandelt in mechanistisches Funktionieren. Alle Kontakte werden nochmals deutlich reduziert, neu nicht nur mit Arbeitskollegen und Freunden, sondern auch mit Kunden. Der Mitarbeiter arbeitet nur noch das Minimum, macht also Dienst nach Vorschrift – eine klare Verhaltensänderung im Vergleich zur ersten Phase. Innerlich nehmen Abstumpfung und Bitterkeit zu, und häufig treten Angstzustände auf. Einher geht dies mit starken körperlichen Reaktionen, z.B. Herzrasen, Schlafproblemen, starkem Schwitzen und vielem mehr. Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, dass die Leistungsfähigkeit – qualitativ und quantitativ – weiter abnimmt.

Die Phase 3 „Isolation und Passivität“ ist eine Fortführung der Phase 2, einfach noch extremer. Phase 3 geht fast immer einher mit einer Depression, die sich in Symptomen wie absoluter Gleichgültigkeit, Hoffnungslosigkeit, starker Erschöpfung und Perspektivenlosigkeit zeigt. Der Betroffene ist wie gelähmt. In dieser Phase wird oft versucht, die innere Leere mit Suchtmitteln zu kompensieren. Der Kick muss dabei immer stärker werden, um überhaupt noch irgendetwas empfinden zu können. In dieser Phase besteht eine akute Gefahr eines mentalen und physischen Zusammenbruchs. Im schlimmsten Fall besteht Suizidgefahr.

 

Je früher desto besser

Oft erkennen Betroffene erst in dieser Phase, dass sie Hilfe brauchen. Aber wenn sie diese erst dann in Anspruch nehmen, braucht es meistens eine mehrmonatige Behandlung. Ausserdem werden nur ca. 50% der Personen, die einen Zusammenbruch erlitten hatten, überhaupt wieder voll arbeitsfähig. Und falls dies der zweite Burnout sein sollte, sinkt dieser Prozentsatz nochmals sehr stark. Für Führungskräfte ist es deshalb sehr wichtig, dass sie ihre Mitarbeitenden, die Symptome der Phase 1 zeigen, schon dann ansprechen – auch wenn ein solches Gespräch sicher nicht einfach ist. Aber in dieser Zeit sind die Chancen für eine Umkehr des Prozesses am grössten – zum Vorteil für beide Seiten. Im nächsten Blog werde ich deshalb erläutern, wie ein solches Gespräch idealerweise abläuft.

 

© Claudia Kraaz

 

 

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