UNTERNEHMENSKULTUR BEEINFLUSST GESUNDHEIT
Ist Gesundheit die Verantwortung des Einzelnen? Sicher zu einem grossen Teil. Aber auch die Unternehmenskultur hat einen massgeblichen Einfluss auf die Gesundheit, wie der viel beachtete „Fehlzeiten-Report 2016“ aus Deutschland zeigt. Mitarbeitenden in Unternehmen mit einer positiven Kultur sind gesünder.
Seit 1999 veröffentlicht das Wissenschaftliche Institut der Krankenversicherung (WIdO) AOK, bei der etwa ein Drittel der Deutschen versichert sind, jährlich den „Fehlzeiten-Report“ – dies in Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld und der Beuth Hochschule für Technik Berlin. Der Report beleuchtet Gründe und Muster von Fehlzeiten in deutschen Unternehmen und ist sehr stark beachtet. Denn „psychische und physische Gesundheit sind Grundvoraussetzungen hoher Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft,“ wie das WIdO schreibt.
Deutlicher Verbesserungsbedarf
Die Resultate der neusten, Mitte September vorgestellten Studie lassen aufhorchen: Jeder Vierte, der seine Unternehmenskultur als schlecht einschätzt, ist auch mit der eigenen Gesundheit unzufrieden. Bei denjenigen, die ihre Unternehmenskultur als positiv bewerten, ist es lediglich knapp jeder Zehnte. Dieser Effekt zeigt sich bei den physischen und bei den psychischen Krankheiten. 66% derjenigen Mitarbeitenden, die von einer schlechten Unternehmenskultur berichten, leiden an physischen Erkrankungen – bei einer positiven Kultur lediglich 32%. Und 65% der Arbeitnehmer mit einer negativen Kultur haben psychische Beschwerden, bei einer positiven Kultur „nur“ knapp 36%.
Was macht denn genau eine Unternehmenskultur aus? Dazu schreibt das WIdO: „Kultur besteht aus Gemeinsamkeiten, die verbinden, insbesondere aus gemeinsamen Werten, Überzeugungen und Regeln.“ Wenn sich die Mitarbeitenden aufgehoben und wertgeschätzt fühlen, arbeiten sie besser zusammen, wodurch das gegenseitige Vertrauen gefördert wird. Dies wiederum lässt die Angestellten mit mehr Motivation und Engagement arbeiten. Gemäss der WIdO-Untersuchung sind den Mitarbeitenden vor allem die Loyalität des Arbeitgebers (78%) und die Wertschätzung durch Loben (69%) wichtig. Ausserdem wollen die Mitarbeitenden Einfluss nehmen auf wichtige Entscheidungen (60%), also etwas bewegen können.
Direkte Relation zu Abwesenheiten
Doch die Realität zeigt ein anderes Bild: nur 55% der Beschäftigten haben den Eindruck, dass der Arbeitgeber hinter ihnen steht, und nur etwa die Hälfte wird für ihre gute Arbeit gelobt. Ausserdem haben nur knapp 42% Einfluss auf wichtige Entscheidungen. Da klaffen also Erwartungen und Realität klar auseinander, was die Mitarbeitenden unzufrieden und in der Folge auch krank macht. Es gibt nämlich eine direkte Relation der Qualität der Unternehmenskultur zur Anzahl Tage, an denen die Arbeitnehmenden abwesend sind: 31% der Beschäftigten in einem Unternehmen mit einer als schlecht eingeschätzten Kultur haben 2015 mehr als zwei Wochen gefehlt. In der Gruppe derjenigen Beschäftigten, die die Unternehmenskultur als negativ wahrnehmen, waren es nur 17%.
Besonders zu denken gibt die Tatsache, dass die psychischen Krankheiten die mit Abstand längsten Ausfallzeiten aller Krankheiten (fast 26 Tage pro Fall im Durchschnitt) haben. Der stetig steigende Druck am Arbeitsplatz macht viele Leute krank. Selbstverständlich erwarten die Unternehmen von ihren Mitarbeitenden einen grossen Einsatz. Aber wenn zu viel Druck ausgeübt wird und zu wenig Wertschätzung gezeigt wird, kommen die Angestellten in Stress, was die Produktivität senkt. Mit Konsequenzen: Mehr als 50% der Mitarbeitenden wechseln ihre Stelle wegen einer schlechten Beziehung zu ihrem Chef. Das kostet das Unternehmen viel Geld. Kultur und Führung machen den Unterschied – auch für den finanziellen Erfolg eines Unternehmens.
Mehr zu diesem Thema:
http://www.wido.de/fzr_2016.html
© Claudia Kraaz